Die die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM), die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP), die Gesellschaft für Virologie (GfV), die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) halten die im Krankenhausversorgungs-verbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehene Einführung einer Leistungsgruppe „Infektiologie“ für notwendig und richtig.
Jedoch sehen wir in den bisherigen und insbesondere in der von der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) mit Schreiben vom 23.9.2024 an das Sekretariat des Gesundheitsausschusses des Bundestags zu Ihren Händen geforderten Änderungen in einigen relevanten Aspekten eine konkrete und erhebliche Gefahr für die Versorgung von Patientinnen und Patienten und die Patientensicherheit.
Grundsätzlich besteht die Infektionsmedizin aus drei Teilbereichen: der diagnostischen Mikrobiologie (und Virologie), der infektionspräventiven und -kontrollierenden Hygiene und der individualmedizinisch-therapeutischen Infektiologie (Innere Medizin, Infektiologie).
Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation, es handele sich um strukturelle Anforderungen, an denen potenziell die Etablierung einer Leistungsgruppe Infektiologie scheitern könnte, für nichtzutreffend.
Die Forderung nach einer fachärztlichen Expertise der Gebiete FA für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie ODER FA für Hygiene und Umweltmedizin ist keine prioritär strukturelle, sondern eine grundlegende klinische Voraussetzung, um die Versorgungssicherheit dem Anspruch des Gesetzes nach qualitätsgesichert zu gewährleisten und die Patientensicherheit aller – auch der (noch) nicht infizierten Patienten sicherzustellen.
Unter den von der DGI vorgeschlagenen „Notwendige(n) Anpassungen von Strukturvoraussetzungen im Einzelnen“ sind wir nicht einverstanden mit einer Änderung (Streichung) des IST-Zustandes im 3. Punkt und schlagen nachdrücklich vor:
3. Personalvoraussetzungen (Spalte: Verfügbarkeit): Beibehaltung der Personalvoraussetzung „davon mindestens ein FA für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie und ein FA für Hygiene und Umweltmedizin“; jedoch ohne die Bedingung einer Zusatzweiterbildung (ZW) Infektiologie.
Detaillierte fachliche Begründung der Änderungsvorschläge
Eine Infektionsmedizin ohne mikrobiologische/virologische Diagnostik und ohne hygienische/ krankenhaushygienische Prävention und Kontrolle ist undenkbar.
Es ist unstrittig, dass gerade in der Behandlung von schweren und komplizierten Infektionskrankheiten eine qualifizierte, fachärztlich betreute, mikrobiologische und virologische Diagnostik sowie fachärztlich (krankenhaus-)hygienische Expertise für eine sachgerechte Antibiotikatherapie sowie für die kurz-, mittel- und langfristige erfolgreiche Infektions- und Transmissionsprävention u.a. von multiresistenten und/oder hochvirulenten bzw. hoch übertragbaren Erregern, ggf. auch mit pandemischem Potenzial, zwingend erforderlich ist.
Dabei sind nicht nur die bereits von Infektionen individuell betroffenen Patienten, sondern die gesamten Prozesse und alle Patienten zu berücksichtigen, z.B. zur Ausbruchsvermeidung und -kontrolle.
Ohne die von einem FA für Hygiene und Umweltmedizin koordinierte Krankenhaushygiene kann die Versorgung des Gesamtkollektivs von Patienten nicht mit hinreichender Sicherheit durch Erkrankungs- und Erregerspezifische SOPs zur Infektions-, Transmissions- und Ausbruchsprävention und -kontrolle gewährleistet werden, dies umfasst u.a. beispielsweise:
-Die Festlegung auf die in der Leistungsgruppe Infektiologie besonderen Erfordernisse, z.B. an die Aufbereitung von Medizinprodukten und Oberflächen, i.S. beispielsweise von Desinfektion/Dekontamination/Sterilisation/Reinigung sowie weitere spezifische Schutzmaßnahmen.
-Eine adäquate und gesetzlich mandatierte Infektionssurveillance inkl. Bewertung und Anpassung der Maßnahmen sowie die Sicherstellung der gesetzlichen Vorgaben zur Meldung und Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden.
Ohne die von einem FA für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie geleitete Diagnostik ist 1.) eine Objektivierung einer Infektion nicht gegeben, (2.) der Nachweis von Infektionserregern nicht führbar und (3.) deren Charakterisierung – insbesondere hinsichtlich ihrer Resistenzeigenschaften – unmöglich. Ohne mikrobiologische Diagnostik gibt es keine begründete Infektionsmedizin, insbesondere keine rationale Antibiotikatherapie oder Therapie mit Virostatika, weder individuell für den einzelnen Patienten noch als Grundlage für die Erstellung entsprechender Leitlinien. Die Antibiotika-Empfindlichkeitstestung garantiert die Umstellung der initialen breit-wirksamen Antibiotikatherapie auf die schmalere, selektionsdruckmindernde gezielte Erregerisolat-angepasste Therapie als Voraussetzung für eine optimale individuelle Therapie und zur Vermeidung der Entstehung und Ausbreitung (multi-) resistenter Erreger. Weiterhin ist eine enge präanalytische Abstimmung (u.a. Auswahl des Untersuchungsmaterials) und postanalytische Zusammenarbeit zwischen den Ärzten im mikrobiologischen Labor und den klinischen Kollegen (Bewertung und
Interpretation der oft komplexen mikrobiologischen Befunde) unerlässlich und an vielen Häusern gelebte Tatsache.
Zu ergänzen sei, dass die Verfügbarkeit einer mikrobiologischen und virologischen Diagnostik und die Präsenz eines Facharztes für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie bereits eine bestehende Strukturvoraussetzung an solchen Krankenhäusern ist, die Patienten mit komplexen Krankheitsbildern behandeln und entsprechend auch über infektiologische Abteilungen oder infektiologisch ausgebildete Internisten verfügen.
Eine ausreichende Anzahl von FÄ für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie bzw. FÄ für Hygiene und Umweltmedizin zur Abdeckung ist vorhanden, ggf. in Kooperation erzielbar. Dieses erschließt sich bereits daraus, da ansonsten keine mikrobiologische/virologische Diagnostik durchgeführt werden und die KRINKO Empfehlung „Personelle und organisatorische Voraussetzungen für die Prävention nosokomialer Infektionen (2023)“ ansonsten NICHT eingehalten werden könnte.
Im Detail verweisen wir auch auf unsere früheren Kommentierungen des Gesetzentwurfs, die die patienten- und gesellschaftsgefährdende Negierung der beiden fachärztlichen Expertisen medizinische Mikrobiologie/Virologie und Hygiene und Umweltmedizin/ im KHVVG-Entwurf aufzeigen und entsprechende Lösungsvorschläge aufzeigen (siehe erneut anbei).
Mit freundlichen Grüßen
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Prof. Dr.med. Martin Aepfelbacher Präsident der DGHM |
Prof. Dr. med. Ulf Dittmer Präsident der GfV |
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Prof. med. Caroline Herr Präsidentin der GHUP |
Prof. Dr. med. Helmut Fickenscher Präsident der DVV |
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Prof. med. Martin Exner Präsident der DGHK |
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