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Stellungnahme der DGKH
Prävention hat oberste Priorität – das Management von COVID-19-Erkrankungen in Alten- und Pflegeheimen
08.04.2020
Hier finden Sie die Stellungnahme als PDF
Zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie in Deutschland wurde neben erheblichen Kontakteinschränkungen in der Bevölkerung (Schließung von Schulen, Geschäften, Verbot von Öffentlichkeitsveranstaltungen, Kontaktverbote) in beispielloser Weise die Behandlungs- und Beatmungskapazität in Krankenhäusern erweitert mit dem Ziel, für die zu erwartende hohe Zahl an schweren Covid-19-Fällen über eine ausreichende Behandlungskapazität zu verfügen.
Während Covid-19 bei Kindern und jüngeren Erwachsenen überwiegend symptomlos oder milde verläuft, sind Menschen mit Grunderkrankungen und insbesondere ältere Menschen erheblich gefährdet, einen schweren Krankheitsverlauf mit Beatmungspflichtigkeit zu entwickeln. Die Sterblichkeit steigt mit steigendem Alter exponentiell an und liegt bei Menschen über 80 Jahren nach chinesischen Daten bei über 20%. Deswegen zählen ältere und pflegebedürftige Menschen zur hoch vulnerablen Risikogruppe. Die Prävention von COVID-19-Erkrankungen bei älteren und pflegebedürftigen Menschen – insbesondere solchen in Heimen – hat oberste Priorität, nicht nur um im Individualfall Erkrankung, Leid und Tod zu verhüten, sondern insbesondere auch um die Kapazitäten des Gesundheitswesens nicht zu überfordern.
Um die Einschleppung des Erregers zu vermindern und die Heimbewohner zu schützen, wurden in allen Bundesländern Besuchsverbote für Angehörige erlassen. Dies ist ein wichtiger, wenn auch ethisch problematischer Schritt. Diese für die Bewohner sehr einschneidende Maßnahme kann aber nur wirken, wenn sie von weiteren Maßnahmen begleitet werden.
Bisherige Beispiele von Covid-19-Ausbrüchen in Pflegeheimen zeigen, dass sich die Infektionen sowohl unter den Bewohnern als auch unter den Mitarbeitern und Besuchern ausbreiten und zu hoher Sterberate unter den Bewohnern führen können. Die Außen- und familiären Kontakte der MitarbeiterInnen stellen ein erhebliches zusätzliches Potential für eine weitere Infektionsausbreitung dar.
Das allgemeine Krisenmanagement muss um eine Zielgruppen-orientierte spezielle Strategie ergänzt werden, die folgende 7 Punkte umfassen muss. Bei konsequenter Einhaltung der Maßnahmen kann auch gleichzeitig ein vertretbares Maß an sozialen Kontakten erlaubt und aufrecht erhalten bleiben.
- Ausreichendes Pflegepersonal
Es muss ausreichend Personal für die sichere Versorgung der Bewohner vorhanden sein. Im Falle eines Personalmangels – z.B. durch Erkrankungen mit SarsCoV2 oder in Folge von Quarantäne-Verordnungen – muss sofort Ersatz verfügbar sein. Dieser muss durch unbürokratische Kostenübernahme der Pflegekassen sichergestellt werden. Personal aus wenig beschäftigten Krankenhäusern oder von Personaldienstleistern könnte dazu bereitgehalten werden. Die Hinweise des RKI bei Personalmangel hinsichtlich der Einsatzkriterien sollten ggfls. angewandt werden.
- Ausreichende Persönliche Schutzausrüstung (Masken, Kittel etc.)
Für das Personal müssen ausreichend Schutzausrüstung und Händedesinfektionsmittel vorhanden sein. Um Ansteckungen durch z. B. asymptomatische Träger möglichst sicher zu vermeiden, ist es erforderlich, dass das Personal in der Einrichtung grundsätzlich einen Mund-Nasen-Schutz trägt und diesen auch regelmäßig wechseln kann. Für die Pflege von Bewohnern mit Covid-19 müssen dem Pflegepersonal ausreichend FFP2-Masken sowie die restliche notwendige persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stehen. Eine einheitliche zentrale Zuteilung der Einrichtungen auch mit Desinfektionsmitteln muss gewährleistet sein.
- Angepasste Organisation
- Pandemiebeauftragter des Heimes (in der Regel die Heimleitung)
- Koordinierender Arzt
- Bereichsbezogener Personaleinsatz
- Hygienebeauftragte in der Pflege
Es wird empfohlen, in jedem Heim einen Vertreter der Heimleitung als Pandemiebeauftragten zu ernennen. Um die medizinische Versorgung der Bewohner sicherzustellen aber auch die Kontakte und den möglichen Eintrag von außen zu kontrollieren, sollte ein koordinierender Arzt bestimmt werden. Seine Aufgabe besteht im Wesentlichen darin, sich einen guten Überblick über die Situation der Bewohner zu verschaffen, ggfls. eine Trennung infizierter und nicht-infizierter Bewohner zu organisieren und frühzeitig nicht nur individuelle Behandlungen, sondern auch – in Abstimmung mit dem Pandemiebeauftragten und dem Gesundheitsamt – zusätzliche Maßnahmen einleiten zu können. Die Auswahl eines geeigneten koordinierenden Arztes müsste ggfls. von der lokal verantwortlichen KV in Abstimmung mit dem lokalen Gesundheitsamt bestimmt werden.
Nach Möglichkeit soll für unterschiedliche Bereiche im Heim das Pflegepersonal in getrennten Teams eingesetzt und Besprechungen zwischen den Teams weitgehend reduziert werden. So ist sichergestellt, dass bei einem evtl. unbemerkten Erreger-Eintrag durch asymptomatische Träger die Übertragungen nicht im gesamten Haus, sondern auf einzelne Bereiche eingegrenzt werden können. Die Hygienebeauftragten in der Pflege und falls vorhanden die beratende Hygienefachkraft unterstützen den Pandemiebeauftragten und den koordinierenden Arzt.
- Strategischer Einsatz von Testungen in Altenpflegeheimen
Um Übertragungen zu vermeiden, sind frühzeitig – und wiederholt – Tests auf SarsCoV2 vorzunehmen. Hierzu müssen ausreichend Testkapazitäten zur Verfügung stehen und die prioritäre Testung in den Laboren sowie die schnellstmögliche Übermittlung sichergestellt werden. Die Kostenübernahme muss sichergestellt sein. Es sollte jederzeit möglich sein, schnell und effektiv Mitarbeiter und Bewohner zu testen, um zeitnah infektionsprophylaktische Maßnahmen umzusetzen. Wenn immer möglich, sollten in Absprache mit den örtlichen Laboren Pool-Testungen erwogen werden. Diese erlauben bei negativem Testergebnis die gesamte Gruppe an MitarbeiterInnen im Testpool weiterarbeiten zu lassen. Bei positivem Testergebnis muss durch eine Nachtestung der einzelnen Proben die positiv getestete Einzelprobe identifiziert werden.
- Optimale Hygienemaßnahmen, Händehygiene plus
Durch Einhaltung optimaler Hygienemaßnahmen – Händehygiene, Flächendesinfektion und gute Raumlüftung (!) – muss das Übertragungsrisiko innerhalb des Heims reduziert werden. Soweit möglich sind die Bewohner zur Einhaltung der Husten- und Niesetikette und der Händehygiene anzuleiten und zu unterstützen. Eine gute Beratung durch erfahrenes Hygienefachpersonal und/oder Personal der Gesundheitsämter muss sichergestellt sein. Jedes Seniorenheim muss rund um die Uhr Zugriff auf hygienische Beratung und im Ausbruchsfall auf hygienische Vorortbetreuung haben.
- Bewohner
Bewohner mit einer COVID-19-Erkrankung bzw. mit Nachweis von SarsCoV-2 sollen ihr Zimmer nicht verlassen dürfen und nach Möglichkeit von speziell für sie zuständigem Personal mit FFP2 Masken und der notwendigen persönlichen Schutzausrüstung versorgt werden. Nur im Falle eines Mangels an FFP2-Masken, kann eine Verminderung des Infektionsrisikos dadurch erreicht werden, dass beide, der Bewohner mit COVID-19 und die Pflegeperson, einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Inwieweit nicht infizierte Bewohner – unter Beachtung der Hygiene- und der Abstandsregelungen – der Besuch von beispielsweise Gruppenräumen in den Bewohnerbereichen gestattet werden kann, ist unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, der Infektionsprävention aber auch der individuellen sozialen Situation der Bewohner von der Heimleitung in Absprache mit dem Pandemiebeauftragten, der betreuenden Hygienefachkraft und/oder dem Gesundheitsamt festzulegen. Bei Einhaltung der Abstandsregeln ist der Aufenthalt von Bewohnern im Garten des Heims oder in gut belüfteten Räumen aus gesundheitlicher Sicht ausdrücklich erwünscht. Im Zweifel kann ein beiderseitiges Tragen von MNS auch Besuche ermöglichen.
- Angehörige
Um bei gegebenem Besuchsverbot die soziale Isolation der Bewohner zu vermindern, sollen über elektronische Kommunikation hinaus, in Abhängigkeit von den Gegebenheiten vor Ort, unter Einhaltung des gebotenen Abstands weitere direkte Kontaktmöglichkeiten angeboten werden.
Wir werden die weitere Entwicklung verfolgen und die Empfehlungen anpassen, mit dem Ziel, die Lebensqualität der Menschen in den Pflegeheimen wieder schnellstmöglich zu verbessern.
Ursel Heudorf, Martin Exner, Peter Walger, Christian Zinn und der Vertretungsvorstand der DGKH
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